Prof. Dr.-Ing. habil. Arnim Nethe | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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ForschungAllgemeine Theorie der Prozessmodellstrukturen
Inhalt
Heutzutage wird im Bereich der Prozessentwicklung und der Prozessführung die Simulation als ein strategisches Werkzeug angesehen. Sie dient zur modellhaften Darstellung oder Nachbildung bestimmter Aspekte eines vorhandenen oder eines noch zu entwickelnden Systems. Sie erlaubt die Untersuchung von Systemen, an denen die probeweise Durchführung zu gefährlich, zu teuer oder sogar unmöglich ist. Grundlegend für jede Simulation ist die Verfügbarkeit eines allgemeinen oder eingeschränkten Prozessmodells, das mathematisch genau die wesentlichen Prozesseigenschaften beschreibt. Solche Prozessmodelle sind häufig nicht vorhanden oder besitzen noch nicht die Entwicklungsreife, die auch Nichtspezialisten eine problemlose Anwendung erlauben würde. Dass die Prozessmodellbildung in alle Bereiche eingreift, zeigt die folgende Aufstellung:
2 Allgemeine und eingeschränkte Prozessmodelle ![]() Zunächst muss der Unterschied zwischen einem allgemeinen Prozessmodell und einem eingeschränkten Prozessmodell herausgearbeitet werden, um den Vorgang der Prozessmodellbildung zu analysieren. Hierzu sollen folgende Definitionen dienen.
Dabei soll unter einem eingeschränkten Prozessmodell in diesem Sinne zunächst ein Modell verstanden werden, welches einen Prozess in seinem interessierenden Bereich so einfach wie möglich und so genau wie nötig beschreibt, um als Grundlage zur Arbeitsplanung dienen zu können. Hierbei spricht man von einem allgemeinen fundamentalen oder theoretischen Prozessmodell, das aus physikalischen bzw. naturwissenschaftlichen Gesetzen ableitbar ist (Deduktion) [7]. Voraussetzung für die Erstellung eines allgemeinen theoretischen Prozessmodells ist eine hinreichend genaue qualitative Kenntnis des zu beschreibenden Prozesses sowie die Kenntnis der entsprechenden physikalischen Gesetze. Das erstellte Prozessmodell ist in der Auswertung schneller und besser handhabbar als das allgemeine Prozessmodell, so dass es relativ problemlos in der Produktionsvorbereitung eingesetzt werden kann. Dabei sind seine Ergebnisse im Rahmen der Prozessparameter genauso verlässlich wie bei dem aufwendiger zu erstellenden allgemeinen Prozessmodell.
3 Einführung in die Prozessmodellbildung Bevor der Übergang vom allgemeinen Prozessmodell zum eingeschränkten Prozessmodell vollzogen werden kann, muss geklärt werden, was unter einem allgemeinen oder einem eingeschränkten Prozessmodell zu verstehen ist. Auch wenn in dem interessierenden Bereich der technischen und nichttechnischen Prozesse Modelle durch abstrakte mathematische Zusammenhänge beschrieben werden, so lässt sich unter einem Modell allgemein folgendes verstehen [2]: "A model (M) for a system (S) and an experiment (E) is anything to which E can applied in order to answer questions about S."Davon abgeleitet ist ein eingeschränktes Prozessmodell ein Abbild der Natur unter Hervorhebung der für wesentlich erachteten Eigenschaften und dem Außerachtlassen der als nebensächlich angesehenen Aspekte. Es ist ein Mittel zur Beschreibung der erfahrenen Realität. Allerdings stehen Prozessmodelle nicht selbstverständlich zur Verfügung, sondern müssen über einen Modellbildungsprozess erst erstellt werden. Hiervon ausgehend muss etwas ausführlicher betrachtet werden, warum die Prozessmodellbildung wichtig ist bzw. welche Aufgaben Prozessmodellen in der Forschung, Entwicklung und Produktion zukommen. An oberster Stelle steht der Erkenntnisgewinn [6], die Erlangung eines grundlegenden Verständnisses von Abläufen und Vorgängen. An diese Erkentnisse knüpft der Wunsch nach der Voraussage vom Systemverhalten an, d.h. nach Vorgabe von Eingangsgrößen die Bestimmbarkeit von Ausgangsparametern. Bei der angesprochenen Prozessmodellbildung müssen zwei grundsätzlich verschiedene Verfahren betrachtet werden, die sich als deduktive bzw. induktive Modellbildung bezeichnen lassen.
3.1 Einsatz von Prozessmodellen in der Simulation Ziel der Simulation sind Vorhersagen über geplante (Produktionsvorbereitung) oder laufende Prozesse. Dabei kann man die Simulation als mathematisches Experiment darstellen, mit dem Vorteil, dass die Durchführung von Simulationen im Gegensatz zum praktischen Experiment im allgemeinen schneller und kostengünstiger ist. Bei der Simulation werden oftmals sehr genaue mathematische Beschreibungen eines Prozesses eingesetzt, die auch außerhalb der Bereiche der Prozessparameter gute Simulationsergebnisse liefern. Dieser erhöhte Rechenaufwand wird mit längeren Rechenzeiten oder leistungsfähigerer Hardware bezahlt. Beides treibt die Kosten für die Simulation in die Höhe. Die obige Abbildung beschreibt das Problem, wie mit zunehmender Genauigkeit auch die Kosten steigen, so dass nur in einem kleinen Bereich die Korrelation zwischen Kosten und Genauigkeit für brauchbare Prozessmodelle gegeben ist. Setzt man hier mit einem Konzept an, in dem die geforderte Genauigkeit nur im Bereich der Prozessparameter erfüllt werden soll, so sinken die Kosten, und man gelangt in den gewünschten Bereich der brauchbaren Prozessmodelle, die Folge sind eingeschränkte Prozessmodelle. 3.2 Übergang vom allgemeinen zum eingeschränkten Prozessmodell Während bei der Bildung allgemeiner Prozessmodelle die möglichst vollständige Erfassung und Bewertung des Wissens über einen bestimmten Prozess im Vordergrund steht, so sind es bei einem eingeschränkten Prozessmodell die Grenzen der Prozessparameter. Dieses Prozessmodell muss nur innerhalb dieser Parameter so genau wie nötig sein, während außerhalb des Gültigkeitsbereiches dieser Prozessparameter die Genauigkeit von untergeordnetem Interesse ist. Dies bedeutet, dass der Detaillierungsgrad so klein wie möglich gehalten werden sollte und das Prozessmodell absichtlich nur die für den bestimmten Anwendungszweck wichtigen Eigenschaften hinreichend genau wiedergibt, so dass der Modellierungszweck gerade erreicht wird. Dieses hat erhebliche Konsequenzen, weil sie die Prozessmodellbildung erleichtert und einer Strukturierung zugänglich macht. Die Strukturierung bezieht sich auf folgende Punkte, die für die Zerlegung des Systems wichtig sind und aus denen die Auswahl der wesentlichen Elemente folgt (Die Reihenfolge ist kein Kriterium für die Wichtigkeit. Die aufgeführten Punkte beziehen sich auf die später durchgeführten Betrachtungen.):
Mithin ist das oberste Gebot eines Prozessmodells die unbedingte Narrensicherheit in bezug auf die Ergebnisse. Die wissenschaftliche Vollkommenheit bleibt der Forschung vorbehalten. Abschließend soll an dieser Stelle der Unterschied zwischen einem eingeschränkten Prozessmodell und einer Näherung im herkömmlichen Sinne behandelt werden. Eine mathematische Näherung geht von mehr oder weniger komplizierten funktionalen analytischen oder numerischen Zusammenhängen aus und stellt sie mittels einfacher, wiederum funktionaler Zusammenhänge z.B. Splines dar, d.h. rein mathematisches Wissen und reine Systematik bilden den Hintergrund dieser Vorgehensweise. Ein eingeschränktes Prozessmodell hingegen nimmt Rücksicht auf die Funktionalität der Parameter und baut somit auf dem physikalischen Hintergrund auf.
4 Erstellung eines Prozessmodells Die Prozessmodellbildung gliedert sich in die in der Abbildung dargestellten Komponenten, die in ihrer Bedeutung gleichrangig sein sollten. In der sich nun anschließenden Prozessanalyse werden die einzelnen Elemente des Systems betrachtet. Ihr Einfluss auf die Prozessgrößen bzw. umgekehrt, der Einfluss der Prozessparameter auf die einzelnen Elemente muss analysiert werden. Ziel in diesem Abschnitt der Prozessmodellbildung ist die Bewertung und Gewichtung der Einflussgrößen auf das gesamte Prozessmodell. Bei der Synthese werden die Einflussgrößen unter Berücksichtigung der Bereiche der Parameter zusammengefasst. Nachdem man das Prozessmodell bis hierher erstellt hat, ist die Bestimmung der Parameter notwendig (Parameteridentifikation), um im Anschluss dieses zu überprüfen. Diese Validierung ist der Schlussstein bei der Prozessmodellbildung. Sie führt bei Nichterfüllung der gestellten Kriterien zu einer der Vorstufen zurück. Bei Erfüllung kann man sagen, dass das Prozessmodell erstellt ist und nun dem Einsatz in der Simulation nichts mehr im Wege steht. "Oversimplifications, progressively corrected in subsequent development are the most potent or indeed the only means toward conceptual mastery of nature:"Nachdem bisher die Prozessmodellbildung in allgemeiner Form behandelt wurde, soll die beschriebene Systematik nunmehr an einem Beispiel verdeutlicht werden. Die Abbildung zeigt ein Schema, mit dessen Hilfe ein solcher Vorgang formalisiert werden kann. Ausgehend von der Problemstellung wird ein allgemeines Prozessmodell und nach anschließender Reduktion ein Prozessmodell gebildet. Als Beispiel soll im folgenden eine Anordnung zum induktiven Oberflächenhärten betrachtet werden. Dabei beschränkt sich das eingeschränkte Prozessmodell auf den im Produktionsprozess noch unbefriedigt gelösten feldtheoretischen Induktionsanteil der Härtungseinrichtung.
5 Fallbeispiel zur systematischen Prozessmodellbildung 5.1 Struktur des Prozessmodells und seine wesentlichen Elemente
Als Gesetzmäßigkeiten stehen für den hier betrachteten elektrodynamischen Anteil die Maxwellschen Gleichungen, die mittels der feldtheoretischen Ansätze zur Laplace- bzw. Skingleichung umgeformt werden. Die dabei entstehenden und zu lösenden Differentialgleichungen sind vektorielle Helmholtzgleichungen. Das Koordinatensystem, welches für die Berechnungen zugrunde gelegt werden kann, ergibt sich leicht aufgrund der Rotationssymmetrie; es ist das kreiszylindrische Koordinatensystem.
Als Randbedingungen werden natürlich die allgemein gültigen Stetigkeitsbedingungen der magnetischen Feldstärke bzw. der Induktion angenommen. Hierbei stellt der hochpermeable Polschuh eine Ausnahme dar, da hier lediglich eine Oberflächenrandbedingung angenommen werden kann.Vergessen werden darf dabei aber auch nicht das Durchflutungsgesetz, das die Feldgrößen mit dem eingeprägten erregenden Strom verknüpft. Die Angabe der verteilten Parameter setzt eine vertiefte Kenntnis der physikalischen Vorgänge voraus. Dazu wird in allen sechs Räumen die Induktion bzw. die Stromdichte in den leitenden Räumen benötigt. Da das Prozessmodell für das induktive Härten erstellt wird, können zusätzlich noch der Poyntingsche Vektor bzw. die Verlustleistungsdichte angegeben werden. Konzentrierte Parameter gibt es hier in dieser Form hingegen nicht. Würde man diese Anordnung zusammen mit der Strom- / Spannungsversorgung betrachten, so müssten an dieser Stelle die Impedanzen stehen. Mit einem solchen Prozessmodell könnte das elektrische Verhalten aus Sicht der Ansteuerung und Regelung betrachtet werden. 5.2 Von der Prozessanalyse zur Modellsynthese Ziel der Prozessanalyse ist die Bewertung der einzelnen Komponenten, aus der das analytische Feldproblem besteht. Es ist herauszufinden, ob dabei nicht eine oder mehrere Komponenten zu vereinfachen oder wegzulassen sind. Wie bereits eingangs erwähnt, erfordert die Prozessmodellbildung Intuition und Erfahrung; daher ist es nicht sinnvoll, bei der Erstellung des Prozessmodells schematisch nach der Reihenfolge der oben genannten Punkte vorzugehen, sondern es ist durchaus legitim, die einfachen, d.h. schnell handhabbaren Punkte zuerst abzuhandeln, um sich dann den diffizilen zu widmen. Zunächst stellt sich die Frage, ob man nicht von dem rotationssymmetrischen Problem zu einen ebenen übergehen kann. Damit würde sich die Rechnung wesentlich vereinfachen, da dies im Bereich der nichtorthogonalen Funktionen einem Wechsel von Zylinderfunktionen zu Exponential- bzw. Hyperbelfunktionen gleichkäme. Um hier zu einer Aussage zu kommen, muss man die Argumente und die asymptotischen Entwicklungen der Besselfunktionen betrachten. Die Argumente bestehen aus dem Produkt der Eigenwerte und der Koordinaten. Dies bedeutet, dass sie aufgrund der Prozessparameter groß sind, sich aber nicht sehr stark mit der Koordinate ändern. Die erste Aussage ist leicht durch einfaches Einsetzen zu überprüfen, während die zweite Aussage nicht sofort einsichtig ist. Hier wird berücksichtigt, dass sich bei den verwendeten hohen Frequenzen näherungsweise ein Strombelag ausbildet. Somit fließen die Wirbelströme direkt unter der Oberfläche, und damit wird dort ebenfalls die Verlustleistung umgesetzt. Weiterhin wird der Luftspalt möglichst klein gewählt, damit viel Leistung in das Werkstück übertragen werden kann. Folgerichtig kann man ohne große Auswirkungen auf das Ergebnis, d.h. unter Inkaufnahme eines geringen Fehlers, von der rotationssymmetrischen zur ebenen Anordnung übergehen. Im folgenden soll die Nuttiefe betrachtet werden, dies ist der Bereich zwischen der Polschuhkante und dem erregenden Leiter. Dieser Raum entsteht bei der Herstellung des Polschuhs, da das Rohr des erregenden Leiters in den Polschuh hineingepresst wird. Die hier auftretende Größenordnung liegt bei wenigen Zehntel Millimetern; und so stellt sich die Frage, ob dieser Raum überhaupt für das Prozessmodell notwendig ist. Betrachtet man die Feldverläufe in diesem Bereich, so stellt man fest, dass sich nur bei großen Nuttiefen die Felder wesentlich ändern. Dieses Phänomen lässt sich durch den hochpermeablen Polschuh erklären, der das magnetische Feld bündelt und es bevorzugt an den Stirnflächen des Polschuhs austreten lässt. In diesem Zusammenhang kann man weiterhin feststellen, dass dadurch die Induktion im Außenraum nahezu Null ist. Aus diesen Beobachtungen lässt sich ableiten, dass man die beiden genannten Räume für ein Prozessmodell der gegebenen Anordnung nicht benötigt. Übrig geblieben sind bis jetzt noch die beiden Leiter, der Luftspalt sowie der Polschuh. An eine Vereinfachung des Luftspaltes ist nicht zu denken, da seine Breite wesentlichen Einfluss auf die Feldverteilungen und die übertragene Leistung hat. Auch der Polschuh ist für die Verteilung des magnetischen Feldes von entscheidender Bedeutung. Er verhindert die Streuflussbildung und an seinen Stirnflächen tritt das Feld senkrecht aus. Betrachtet man die beiden Leiter mit den in ihnen fließenden Strömen und Wirbelströmen, so sieht man, dass diese lediglich in einem sehr dünnen Bereich unterhalb der Oberfläche fließen. Dadurch ist das Innere der Leiter quasi feldfrei. Hier ließe sich jetzt eine Methode anwenden, bei der man nicht mehr den ganzen Leiter betrachtet, sondern nur noch seine Wirkung zu den angrenzenden Räumen. Das heißt eine Randbedingung zu finden, die zum einen das exponentielle Abklingen der Stromdichte in den Leiter hinein, zum anderen aber auch noch den beim Werkstück vorhandenen Sprung der Permeabilität berücksichtigt. Bei dieser Randbedingung hängen die Feldgrößen des Außenraumes nur noch von einem Universalparameter ab. Dieser enthält alle Materialparameter sowie die Frequenz des erregenden Stromes. [3, 4, 5]
An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass Veränderungen der Materialparameter oder der Geometrie den Fehler des eingeschränkten Prozessmodells vergrößern können oder sogar völlig falsche Werte liefern können; d.h., dieses Prozessmodell ist immer nur für bestimmte Parameterbereiche (Produktionsparameter) gültig. 5.3 Schema der Prozessmodellbildung Fasst man die vorangegangenen Ausführungen zusammen und führt sie einer Systematik zu, so gelangt man zum unten dargestellten Schema. Es soll einmal den Vorgang der Prozessmodellbildung veranschaulichen und gleichzeitig als Ablaufkontrolle dienen. Im linken Bildteil ist die reale Anordnung zum induktiven Oberflächenhärten dargestellt, darunter die Punkte, aus denen die wesentlichen Elemente ausgewählt werden. Die genannten Punkte beziehen sich auf diejenigen, die für das feldtheoretische Problem von Bedeutung sind. Daraus wurde das allgemeine Prozessmodell entwickelt, welches in der Mitte abgebildet ist. Es enthält nahezu alle Komponenten der Anordnung, so dass auch Berechnungen durchgeführt werden können, die außerhalb der Bereiche der Prozessparameter liegen. Es kann weiterhin zur Validierung des Prozessmodells verwendet werden. Nach entsprechender Bewertung der einzelnen Punkte und der strukturierten Entkopplung gelangt man zu dem Prozessmodell (rechter Bildteil). Durch die gewählte tabellarische Form ist die für das Prozessmodell erforderliche Reduzierung sehr gut ersichtlich.
6 Verifikation und Validierung - Vertrauen in Prozessmodelle Das übergeordnete Ziel der Validierung bzw. der Verifkation von Prozessmodellen ist die Herstellung von Vertrauen und Glaubwürdigkeit in diese Prozessmodelle. Dabei spielt wie bei der Erstellung von Prozessmodellen die Erfahrung und Intuition des Entwicklers eine wesentliche Rolle. Durch sein systematisches Vorgehen hat er eine Vorstellung von der Güte seines Prozessmodells. Nun gilt es, anhand einer ebenso systematischen Uberprüfung die Glaubwürdigkeit für Dritte herzustellen. Um eine Überprüfung von Prozessmodellen durchführen zu können, ist es notwendig, den Unterschied zwischen der Verifikation und der Validierung aufzuzeigen.
Während der Prozessmodellbildung ist für jede einzelne Phase eine Verifikation erforderlich. Nur dadurch lässt sich das benötigte Vertrauen in das Prozessmodell herstellen und Dritten gegenüber die Richtigkeit nachweisen. Zu Beginn ist bei der Konzeption des Prozesmodells, welche auf der Erfahrung des Entwicklers beruht, für die dabei getroffenen Annahmen und Festlegungen eine kritische Überprüfung und Bewertung durchzuführen. Auch die erforderlichen Parameter müssen unter Berücksichtigung ihrer Verfügbarkeit und ihrer Qualität bewertet werden. Bei der Umsetzung des Konzepts ist darauf zu achten, da die angewandten Verfahren, die zur mathematischen Umsetzung notwendig sind, auch den benötigten Genauigkeitsgrad aufweisen oder dem geforderten Einsatzzweck entsprechen. Dabei ist zu bedenken, da durchaus auch mehrere verschiedene Verfahren zur Auswahl stehen können, die zur Umsetzung des Prozessmodells gleich gut geeignet sind. Hier liegt es im Ermessen des Entwicklers, das für ihn beste Verfahren auszuwählen, hierbei kommen Erfahrungen aber auch persönliche Vorlieben zum tragen. Mit der Implementierung des Systems geht die allgemein übliche Programmverifikation mit den durchzuführenden Tests und Testläufen einher. Hier ist auf die einschlägigen Methoden der Informatiker zu verweisen. Zum Schluss ist die sogenannte Ergebnisverifikation durchzuführen. Dabei wird oft nur diese für die Modellverifikation benutzt. Bei auftretenden Mängeln kann dann nicht angegeben werden, in welchem Abschnitt der Prozessmodellbildung Fehler unterlaufen sind, sondern es werden nur unbestimmte Diskrepanzen zwischen dem Prozessmodell und der Realität aufgezeigt. Die Ergebnisverifikation dient aber nicht nur der Überprüfung des Prozessmodells auf seine Richtigkeit; es sind an dieser Stelle auch Tests durchzuführen, die klären sollen, wie das Prozessmodell auf Falscheingaben reagiert und wie es sich in das Gesamtsystem, d.h. in eine höhere Modellebene, einfügt. Es müssen die Schnittstellen des Prozessmodells zum Anwender untersucht werden. Bei der Validierung von Prozessmodellen ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Modellen von real existierenden Systemen und solchen, die projektiert sind oder sich noch im Aufbau befinden. Bei existierenden Systemen ist die Validierung anhand von experimentellen Daten möglich, d.h. durch den Vergleich von Simulationsergebnissen mit Werten, die durch Messungen am realen System vorgenommen wurden. Eine nicht experimentelle Validierung ist bei projektierten Systemen die einzige Möglichkeit der Überprüfung. Sie sollte aber in jedem Fall durchgeführt werden, da dies das Vertrauen in Prozessmodelle für bestehende Systeme wesentlich vergrößert. Dazu ist das Verhalten des Prozessmodells daraufhin zu untersuchen, ob eine Simulation mit bestimmten Parametern zu Ergebnissen führt, die auch von den Entwicklern erwartet wurden. Hierzu müssen Vergleichsdaten vorliegen, die durch unabhängige Methoden gewonnen oder die mit ähnlichen Prozessmodellen durch Simulation erzeugt wurden. Für diese Überprüfungen gibt es keine festgelegten Regeln, allerdings sollten einige grundsätzliche Kriterien erfüllt sein. Dazu zählt die Stetigkeit des Systemverhaltens; kleine Parameteränderungen führen nur zu kleinen Änderungen in den Ausgangsgrößen, wobei systembedingte Unstetigkeiten auftreten können, deren Vorhersage dann allerdings notwendig ist. Als weiteres Kriterium soll hier die Konsistenz des Prozessmodells genannt werden: aus ähnlichen Einsatzfällen sollten ähnliche Ergebnisse folgen auch wenn sie unterschiedliche Eingangsparameter haben. Wichtig ist, bei diesen Untersuchungen den Bereich festzustellen, in dem das Prozessmodell seine Gültigkeit besitzt. Dies ist eine der schwierigsten Aufgaben, da das Prozessmodell vom Ansatz her Ergebnisse liefert, die von der Realität abweichen. Hierbei ist die bei der Konzepterstellung festgelegte Fehlertoleranz der Ergebnisse zuüberprüfen.
Um diese Einführung in die Prozessmodellbildung nicht nur auf den technischen, produktionsorientierten Bereich zu beschränken, sollte als Ausblick der hier eingeführte standardisierte Begriff des Prozessmodells verallgemeinert werden. Es wurde eingangs erwähnt, dass es sich bei den betrachteten und speziell bei dem exemplarischen Prozessmodell um physikalische Prozessmodelle handeln sollte. Diese Einschränkung auf nur ein Gebiet der Natur ist willkürlich und nachteilig, so dass der Versuch unternommen werden muss, Prozessmodelle auch in anderen Bereichen zu systematisieren. Ein solches Vorhaben muss natürlich eine Explikation des Begriffes Prozessmodell zur Folge haben, welche diese Einschränkung überwindet. Eine solche Explikation ist rational, wenn das Explikatum tatsächlich ein besseres, ein leistungsfähiges intellektuelles Werkzeug für diese Art von Problemlösungsvorhaben darstellt, d.h., dass man mit Hilfe des Explikatums Naturgesetze aufstellen kann, die sich ohne ihn nicht so leicht erschließen würden. Hier braucht man in der Technik nicht lange zu suchen und kommt auf den Begriff Prozessstrukturen, welche den Begriff Prozessmodell aus seiner soliden räumlichen Struktur befreit, da Prozessstrukturen grundsätzlich nicht auf Bauelemente zurückführen lassen (z.B. die Holographie). Sollte man es dennoch versuchen, so kann die Forschung in die Irre geführt werden. Als Beispiel sei hier die Schichtenlehre der Psychoanalyse genannt. Diese teilt das Bewusstsein in "Es", "Über-Ich" und "Ich", was dazu führte, dass man noch bis vor wenigen Jahren annahm, dass die Begriffe der umgangssprachlichen Psychologie in irgendeiner Weise auch das treffen, was in unserem Gehirn vorgeht, so ist das nach heutiger Erkenntnis nicht so. Solche Prozesse sind nicht regelhaftes Hantieren mit Symbolen sondern ein nur schwer mit Regeln beschreibbarer Subsymbolischer Prozess einer Prozessstruktur (siehe auch M. Spitzer [8]). Unter diesem Aspekt die chaostheoretischen-affektlogischen Strukturen der Psyche von Luc Ciompi zu integrieren wäre wahrscheinlich ein vielversprechender Ansatz. Bestimmt wird der interessierte Fachmann auf seinem Gebiet noch weitere Beispiele finden. Hierfür die obigen Regeln der Prozessmodellbildung fachübergreifend zu erweitern, ist sicherlich eine lohnende Aufgabe.
8 Glossar zur Prozessmodellbildung Da in allen Bereichen vielfach unterschiedliche Terminologien verwendet werden, sind im folgenden die Begriffe, die im Rahmen dieser Abhandlung verwendet werden, erklärt.
Das Elementarsystem ist das Subsystem, welches für die Handhabung des Prozessmodells nicht mehr unterteilt werden muss.
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